8. März 2018, 8:46 Uhr
Gleichberechtigung? Keine Frage! Aber der Weltfrauentag ist überflüssig, findet unsere Redakteurin Stephanie Giese und führt dafür gleich eine ganze Reihe von Gründen an. Ein Kommentar.
Alljährlich und in aller Welt gehen Frauen am 8. März auf die Straße.
Ich will es gleich sagen: Ich brauche diesen Weltfrauentag nicht. Und trotzdem fällt es mir schwer, den Weltfrauentag zu kommentieren, ohne polemisch zu werden oder in Klischees zu verfallen.
Dabei wäre das gar nicht fair: Ich bin gerade mal Anfang 40, habe in puncto Ausbildung und Karriere alle Chancen bekommen und bekomme sie immer noch.
Ich habe den Beruf, den ich mir immer gewünscht habe, arbeite in einer Position, die meiner Qualifikation angemessen ist und habe nie Benachteiligungen durch mein Geschlecht erfahren. Dafür bin ich dankbar. Unserer Gesellschaft, unserer Kultur und unserem Rechtssystem. Aber auch meiner Erziehung und meiner persönlichen Disposition.
Ich weiß, dass Gleichberechtigung auch im Jahr 2018 weltweit immer noch nicht selbstverständlich ist – und trotzdem erscheint mir der Weltfrauentag in Deutschland gnadenlos rückwärtsgewandt, um nicht zu sagen: persönlich beleidigend.
Wer will mir – und anderen Frauen – sagen, dass wir besondere Aufmerksamkeit, besonderen Schutz, eine bevorzugte Behandlung benötigen? Die Männer, ja, Männer, die damals in der noch jungen DDR den Weltfrauentag nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eingeführt haben, um uns – notfalls mit Kind auf dem Rücken – voll ins Berufsleben einzubinden?
Ich glaube nicht, dass ich das möchte. Das möchte ich schon lieber selbst entscheiden.
Ja, ich habe leicht Reden: Ich bin kinderlos, weil ich das will, und ich muss mich nicht mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf herumschlagen. Aber wenn ich es wollte, würde ich es schaffen – wie die vielen anderen jungen Eltern in unserem Bremen-Zwei-Team, egal, ob Mann oder Frau. Mit großer zusätzlicher Anstrengung, Logistik und vielen, vielen Zugeständnissen – ganz bestimmt! Aber dafür brauche ich – brauchen wir – keinen Weltfrauentag.
Ja, auch ich fühle mich manchmal ungerecht behandelt in meinem Job. Nicht, weil ich eine Frau bin – sondern, weil der Alltag in jedem Job einfach nicht immer ein Streichelzoo ist. Aber ich kann das erkennen, und ich kann das artikulieren. Und dafür brauche ich keinen Weltfrauentag.
Ja, ich erfahre mitunter, dass man im Job von mir erwartet, flexibler und weniger zeitlich gebunden zu sein. Weil ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe. Aber: Das geht meinem Bruder genauso, denn der ist auch nicht verheiratet und hat auch keine Kinder. Also dafür brauche ich mit Sicherheit keinen Weltfrauentag.
Und: Ja, ich erlebe auch, dass meine männlichen Freunde in Bewerbungsgesprächen Schwierigkeiten haben, sich durchzusetzen, weil sie keine Frau sind. Und deshalb WILL ich keinen Weltfrauentag.
Was ich will, ist mehr Alltäglichkeit. Weniger Zeitschriften und Fernsehsendungen, die Frauen weismachen wollen, wie sie sich zu kleiden, wieviel sie zu wiegen, wofür sie sich zu interessieren haben und wie sie sich geben sollten, um in Beruf und Alltag noch ein bisschen erfolgreicher zu sein. Ich will keine Coachings mehr sehen für Farben, Haarschnitte und Blusen, keine Ratschläge mehr hören, doch mal ein bisschen "weicher", "femininer" und zeitgleich "etwas strategischer" zu agieren – und ich will weniger Frauen, die diesen Käse tatsächlich lesen.
Was ich will, ist Selbstverständlichkeit und Vertrauen. Vertrauen darauf, dass auch wir Frauen Alles schaffen können – ganz ohne Nachhilfe. Und ohne jede Form von Weltfrauentag.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 8. März 2018, 8:46 Uhr
7. März 2018
Info: Der Kommentar
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Sendezeit:
Mo. - Fr., 8:50 Uhr
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