"Die Schachnovelle" ist das berühmteste Buch von Stephan Zweig. Geschrieben hat er es 1942, kurz vor seinem Tod im brasilianischen Exil. Es erzählt von einer Schiffsreise, auf der Schach gespielt wird – was für einen der Mitspielenden irgendwann traumatische Auswirkungen hat. Das Buch ist in Deutschland seit Mitte der 1970er Jahre ein Dauer-Bestseller. Die Hörbuch-Version wird von Hans Sigl gelesen.
Stefan Zweig: Schachnovelle
Stefan Zweig Die Schachnovelle, [3:11]
Vorgestellt von Kertin Burlage
Alles beginnt als ein netter Zeitvertreib für die Wohlhabenden: An Bord eines Passagierdampfers, der von New York nach Buenos Aires fährt, wird Schach gespielt. Der Ich-Erzähler, ein österreichischer Emigrant, hat das angeregt, weil er weiß, dass der Schachweltmeister Mirko Czentovic mit an Bord ist. Czentovic gilt als ein Kuriosum: von Haus aus einfältig und ungebildet, aber im Schach genial – und dadurch mittlerweile größenwahnsinnig.
Aber wie sollte ein so rascher Ruhm nicht einen so leeren Kopf beduseln, schloss mein Freund. Wie sollte ein 21-jähriger Bauernbursche aus dem Banat nicht den Eitelkeitskoller kriegen, wenn er plötzlich mit ein bisschen Figuren-Herumschieben auf einem Holzbrett in einer Woche mehr verdient als sein ganzes Dorf daheim mit Holzfällen und den bittersten Abrackereien in einem ganzen Jahr?
Zur öffentlichen Schach-Partie finden sich nach und nach verschiedene Schachfreunde ein – und dann tatsächlich auch der Weltmeister. Der schlägt vor, es allein gegen alle aufzunehmen. Die Laien willigen ein und haben wenig später das erste Spiel verloren. Ein zweites wird begonnen und droht für sie zu scheitern, als sich plötzlich jemand einmischt:
Um Gottes Willen, nicht! Unwillkürlich wandten wir uns alle um. Ein Herr von etwa 45 Jahren, dessen schmales, scharfes Gesicht mir schon vordem auf der Deckpromenade durch seine fast kreidige Blässe aufgefallen war, musste in den letzten Minuten, indes wir unsere ganze Aufmerksamkeit dem Problem zu wandten, zu uns getreten sein.
Dieser Herr, sein Name ist Doktor B., erweist sich als ein äußerst kluger Geist, der das Schachspiel so genial beherrscht, dass er kommende Züge vorhersehen kann.
Wenn Sie jetzt eine Dame machen, schlägt er Sie sofort mit dem Läufer C1, Sie nehmen mit dem Springer zurück, aber inzwischen geht er mit seinem Freibauern auf D7, bedroht Ihren Turm und auch wenn Sie mit dem Springer Schach sagen, verlieren Sie und sind nach 9 bis 10 Zügen erledigt.
Der höfliche Dr. B schafft mühelos den Sieg gegen Czentovic. Doch die nächste Partie scheint plötzlich seine Kräfte zu übersteigen: Zug um Zug kehren in ihm traumatische Erinnerungen an seine Gefangenschaft zurück – und an das, was er eine "Schachvergiftung" nennt.
Mit einem stieren und fast irren Blick ins Leere vor sich starrend, murmelte er ununterbrochen unverständliche Worte vor sich hin. Entweder verlor er sich in endlosen Kombinationen oder er arbeitete – dies war mein innerster Verdacht – sich ganz andere Partien aus.
Stephan Zweig blickt in seiner "Schachnovelle" tief in die Abgründe der menschlichen – so verletzbaren – Psyche. Inmitten der opulenten Ozeandampfer-Kulisse ist das eigentliche Thema die Isolationshaft: Der Autor lässt sie geradezu fühlbar werden und entlarvt sie als eine besonders perfide Form der Folter. Hans Sigl macht diesen Zweig-Klassiker mit seiner eindringlichen und schnörkellosen Art zu lesen zu einem Hörerlebnis.
Infos:
Das Hörbuch: "Die Schachnovelle" von Stefan Zweig ist als Reclam Hörbuch herausgekommen, 3 CDs, 9,99 Euro.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 27. Dezember 2017, 9:20 Uhr
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