13. Dezember 2017, 10:40 Uhr
Einhörner sind ja im Moment voll angesagt. Warum auch immer. Hörner haben schon immer irgendwie fasziniert. Jäger sammeln sie, andere machen lieber einen großen Bogen um sie, besonders wenn am Ende ein großes Tier hängt. Die Wikinger haben sich Hörner aufgesetzt, und der Teufel hat auch zwei. Und in Tossens im Kreis Wesermarsch gibt es auch eine Figur mit Hörnern. Sie steht in der Dorfkirche und ist kein Tier und kein Teufel, sondern ein Prophet.
Sind es Hörner? Oder Strahlen? Der Moses von Tossens ist einzigartig.
Reportage von Frank Jakobs:
Der gehörnte Moses von Tossens, [3:07]
Eine mächtige grüne Tür führt in das Innere der Sankt-Bartholomäus-Kirche in Tossens im Landkreis Wesermarsch. Am Ende des Gangs steht ein aufwendig geschnitzter Altar von Ludwig Münstermann aus dem Jahre 1631, erklärt Renate Knauel. Sie ist Kirchenführerin in Tossens.
Unten in der Predella, das ist das Untergestell des Altarretabels, haben wird das letzte Abendmahl, in der Hauptszene die Kreuzigung, darüber die Auferstehung und darüber die Himmelfahrt, und ganz oben haben wir Jesus als Salvator mundi, also er segnet die Erde.
Doch was ist das? Auf der linken Seite des knapp fünf Meter hohen Altars steht er. Wallendes graues Haar, Rauschebart und Hörner. Der Teufel? Doch dieser Teufel hat die steinerne Tafel mit den zehn Geboten in der Hand.
Das ist unser Moses, der also vier Hörner hat. Das geht auf Hieronymus zurück, der große Kirchenvater war der erste, der die Bibel übersetzt vom Hebräischen in das Latein seiner Zeit, und Hieronymus übersetzt: Dass Moses vom Berg Sinai hinabsteigt mit den Gesetzestafeln, und sein Antlitz war gehörnt.
Ludwig Münstermann gestaltete den Altar und die gehörnte Moses-Figur in Tossens.
Diese Übersetzung aus der Vulgata ist verbreitet. Moses-Abbildungen mit Hörnern tauchen seit dem 12. Jahrhundert auf. Die bekannteste Skulptur dieser Art ist wohl der Moses von Michelangelo in Rom. Doch diese Hörner sind gar keine. Denn in der hebräischen Bibelfassung steht davon gar nichts, sondern ein anderes Wort, das später Martin Luther aufgreift. Er übersetzte: "Er stieg vom Berg Sinai und sein Antlitz war umstrahlt." Doch warum hat der bedeutende Bildhauer Ludwig Münstermann, dem Moses in Tossens gleich vier Hörner verpasst?
Ludwig Münstermann wusste um diese beiden Übersetzungen und hat dem Moses sowohl die traditionellen Hörner verpasst als auch die Strahlen der Sonne.
Hörner gelten als Zeichen für Kraft und Macht. Ebenfalls Attribute, die Mose zugeschrieben werden können. Und noch eine Interpretation ist möglich, sagt Knauel.
Denn Moses kommt ja mit den Tafeln bei seinem Volk an und muss zu seinem Entsetzen feststellen, dass die um das goldene Kalb tanzen, und somit ist er gehörnt, so kann man es auch auslegen.
Aber egal, welche Erklärung einem dazu einfallen mag. Der Bildhauer Ludwig Münstermann vereint sie alle in einer Figur: dem gehörnten Moses von Tossens. Ein einzigartiges Exemplar.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 13. Dezember 2017, 10:40 Uhr.
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