31. Oktober 2017, 18:05 Uhr
von Michael Augustin und Walter Weber
Ein Feature über die Anfänge der Reformation in Bremen vor 500 Jahren, besichtigt an den Originalschauplätzen in Bremen und Schleswig-Holstein.
Heinrich von Zütphen - Gemälde um 1575
Im November Anno Domini 1522 kam der Augustinermönch Heinrich von Zütphen, ein Mitstreiter Martin Luthers, nach Bremen und verbreitete die neue Lehre des Wittenberger Reformators. Fünf Jahre nach Luthers Thesenanschlag von1517 legte er durch seine mitreißenden Predigten den Grundstein für den Siegeszug der Reformation in Bremen. Seine Widersacher um den düpierten Bremer Erzbischof rächten sich allerdings Jahre später auf grausamste Weise. Als Heinrich 1524 als Missionar nach Meldorf in Dithmarschen ging, wurde er von seinen Gegnern brutal ermordet. Martin Luther persönlich setzte ihm ein bewegendes Denkmal mit seiner Schrift „Historie von Bruder Heinrich von Züthpens Märtyrtode“.
Michael Augustin und Walter Weber haben sich auf die Spuren Heinrich von Zütphens in Bremen begeben und gemeinsam mit Wilhelm Tacke, dem ehemaligen Pressechef der katholischen Kirche in Bremen, und Peter Ulrich, evangelischer Pastor am Bremer Sankt-Petri-Dom, die Schauplätze der Reformation aufgesucht.
Die fachkundige Begleitung übernahmen Konrad Elmshäuser, Leiter des Bremer Staatsarchivs, Martin Treu, Geschäftsführer der Martin-Luther-Gesellschaft in Wittenberg, und Jutta Müller, Direktorin des Dithmarscher Landesmuseums in Meldorf.
Peter Ulrich und Wilhelm Tacke über Martin Luthers Lehre, [4:14]
Bremische Evangelische Kirche: Ausstellungen zur Reformation
Sprecher: Hans Paetsch, Peter Kaempfe, Holger Postler
Ton und Technik: Adrian Eichmann
Regie: Walter Weber
Redaktion: Michael Augustin
Produktion: Radio Bremen 2017
Peter Ulrich und Wilhelm Tacke
Heinrich von Zütphen wurde 1488 im niederrheinischen Zütphen geboren. Er war wie Martin Luther Mitglied im Orden der Augustiner-Eremiten und studierte an der Universität Wittenberg. Nach Jahren in Köln und Dordrecht kam er 1520 nach Wittenberg zurück und wurde dort zum Mitarbeiter Luthers. 1522 ging er nach Antwerpen, um dort die Ideen der Reformation zu verbreiten. Wegen massiver Verfolgungen durch seine Gegner musste er jedoch im gleichen Jahr fliehen. Auf der Rückreise nach Wittenberg machte Heinrich in Bremen Station. Seine erste Unterkunft fand er im Gasthaus "Zum Strauss", das sich damals im Haus „Schütting“, dem Sitz der heutigen Bremer Handelskammer, am Markplatz befand.
Hier wurde er von einflussreichen Bürgern gebeten, als Prediger in der Stadt zu bleiben. Am 9. November 1522 fand in einer Kapelle der Sankt-Ansgarii-Kirche seine erste Predigt statt. Mit Unterstützung des Rates blieb er zwei Jahre lang, in denen er offenbar täglich in Bremen gepredigt hat. 1524 verließ er Bremen und ging als Prediger nach Meldorf in Dithmarschen. Ein verhängnisvoller Entschluss, wie sich bald herausstellte. In Meldorf wurde er von fanatisierten Gegnern der Reformation gefangen gesetzt und ins benachbarte Heide gebracht. Am 10. Dezember 1524 wurde er dort gefoltert und auf bestialische Weise erschlagen.
Peter Ulrich und Wilhelm Tacke über Heinrich von Zütphen, [1:29]
Im Zentrum Bremens erinnert fast nichts mehr daran, dass von hier aus die Reformation in der Hansestadt ihren Anfang nahm. Eher befremdlich wirkt heute auf viele der Name eines Platzes inmitten eines modernen Geschäftsviertels an der Obernstraße, der aus alten Zeiten in die Gegenwart hineinragt: „Ansgarikirchhof“.
Von dieser letzten Ruhestätte der Toten ist längst nichts mehr zu sehen. Ebenso wenig wie von der alten Sankt-Ansgarii-Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer fiel und deren letzte Reste im Zuge des Wiederaufbaus abgeräumt wurden. Heute erinnert ein Denkmal, die so genannte „Ansgar-Säule“, in Form einer Stele mit den Symbolen Kreuz, Schiff und Bibel an das verschwundene Gotteshaus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine neue Sankt-Ansgarii-Kirche gebaut im gut bürgerlichen Viertel Schwachhausen. Ein Bauwerk des Architekten Fritz Brandt, das 1957 eingeweiht wurde und sich durch seine wohl proportionierte Schlichtheit auszeichnet. An die alte Kirche erinnern noch einige Ausstattungsstücke wie die Kanzel und der prachtvolle barocke Orgelprospekt. Im Foyer befindet sich eine kleine Ausstellung mit einem Modell der alten Kirche und diversen originalen Fundstücken. Auch Heinrich von Zütpen ist noch „präsent“ in Gestalt einer Kopie eines Gemäldes aus dem 16. Jahrhundert, dessen Original im Dithmarscher Landesmuseum in Meldorf hängt.
Wilhelm Tacke und Peter Ulrich in der Bremer Sankt Ansgarii Kirche, [3:04]
Sankt Ansgarii Bremen
Orgel der Bremer Sankt-Ansgarii-Kirche
Der Bremer Sankt Petri Dom war jahrhundertelang die Kirche der Bremer Erzbischöfe. Allerdings war deren Herrschaft bereits vor der Reformation deutlich eingeschränkt durch den Machtanspruch des Rates. Der zu Züthpens Zeiten amtierende Erzbischof Christoph von Braunschweig-Wolfenbüttel residierte bereits außerhalb der Stadt in Verden und Bremervörde. Nach der von Luther genehmigten Bremer Kirchenordnung von 1534 blieb der Dom jahrzehntelang geschlossen und wurde erst im 17. Jahrhunderts zur größten lutherischen Predigerkirche Bremens.
Bremen: Marktplatz und Sankt Petri Dom (um 1600)
Im Sankt Petri Dom mit seiner tausendjährigen Geschichte ist der Widerstreit zwischen Katholizismus und Luthertum bis auf den heutigen Tag gegenwärtig. Der ideale Ort für einen Disput zwischen dem Domprediger Peter Ulrich und dem Katholiken Wilhelm Tacke wie sich das wechselvolle Verhältnis der beiden Konfessionen in Bildwerken im Sankt Petri Dom widerspiegelt.
Peter Ulrich und Wilhelm Tacke im Bremer Sankt Petri Dom, [5:50]
Konrad Elmshäuser über den Bremer Erzbischof Christoph, [1:39]
Sankt Petri Dom Bremen
Relief an der Orgelempore im Bremer Dom
Das Bremer Rathaus am Markt war seit dem Mittelalter das Machtzentrum und ist das Stein gewordene Symbol bürgerlichen Selbstbewusstseins. Hier entschied der Rat über das Wohl und Wehe der Bürger. Und hier fiel auch die Entscheidung der politischen Elite für die Einführung der Reformation in der Hansestadt.
Wilhelm Tacke und Peter Ulrich in der Oberen Halle des Bremer Rathauses, [2:24]
Kirche Unser Lieben Frauen
Die Kirche Unser Lieben Frauen am Marktplatz ist nach dem Sankt Petri Dom die älteste Kirche der Stadt. Sie war die traditionelle Ratskirche, in der sich die Stadtoberen zum Gottesdienst versammelten. Von 1524 bis zu seinem Tod im Jahr 1562 war hier Jacob Probst erster evangelischer Pastor. Wie Heinrich von Zütphen, der ebenfalls an der Liebfrauenkirche gepredigt hat, war Probst ein Vertrauter und Mitstreiter von Martin Luther. Probst war es auch, der den lutherischen Gottesdienst in Bremen einführte.
Peter Ulrich und Wilhelm Tacke in der Bremer Liebfrauenkirche, [2:16]
Unser Lieben Frauen Bremen
Propsteikirche Sankt Johann im Schnoor
Von den mittelalterlichen Klöstern in Bremens Stadtgebiet ist keines mehr vorhanden. Einzig die Propsteikirche Sankt Johann im historischen Innenstadtteil Schnoor erinnert an längst vergangene Zeiten. Die ehemalige Kirche des Bremer Franziskanerklosters, das hier seit dem 13. Jahrhundert bestanden hatte. 1528 wurde es geschlossen und 1538 in ein Kranken und Irrenhaus umgewandelt. Die Kirche Sankt Johann wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts an die Katholiken zurückgegeben. Die Klostergebäude wurden 1834 endgültig abgerissen.
Wilhelm Tacke in der Bremer Propsteikirche Sankt Johann, [2:59]
Propsteigemeinde Sankt Johann Bremen
Konrad Elmshäuser im Bremer Staatsarchiv
Das Bremer Staatsarchiv verwahrt wertvolle Dokumente zur Geschichte der Reformation in der Hansestadt. Zusammen mit der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen zeigt das Staatsarchiv noch bis zum Jahresende 2017 die Ausstellung „Glaube und Politik – Grundzüge und Folgen der Reformation in Bremen“. Für Radio Bremen hat Konrad Elmshäuser seine „Schatztruhe“ geöffnet und einige Preziosen ausgepackt.
Konrad Elmshäuser über Dokumente der Reformation in Bremen, [4:12]
Staatsarchiv Bremen
Jutta Müller, Direktorin Landesmuseum Dithmarschen
„Glaube – Macht – Selbstjustiz“ – unter diesem Titel wird 2017 im Dithmarscher Landesmuseum in der schleswig-holsteinischen Stadt Meldorf eine Ausstellung über Heinrich von Zütphen und den Beginn der Reformation in Dithmarschen gezeigt. An zentraler Stelle hängt das Original des einzig erhaltenen Porträts des Reformators, das um 1575 entstanden ist. Dokumentiert wird die letzte Lebensstation Heinrichs in Meldorf und sein grausamer Tod in Heide. Erläuterungen dazu von der Museums-Direktorin Jutta Müller.
Jutta Müller über Heinrich von Zütphen im Dithmarscher Landesmuseum, [1:26]
Jutta Müller über Heinrich von Zütphen in Meldorf, [1:12]
Dithmarscher Landesmuseum Meldorf
Heinrich von Zütphens Maryrium - Holzschnitt 1525
In Wittenberg an der Elbe hatte alles begonnen. Anno 1517, nachdem der junge Augustinermönch Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht hatte. Damals ahnten allerdings er und seine Gesinnungsgenossen noch nicht im mindesten, dass damit eine der großen Umwälzungen in der Weltgeschichte ihren Lauf nehmen sollte.
Martin Treu, Geschäftsführer der Luther-Gesellschaft
Fünfhundert Jahre später führt uns Martin Treu, Geschäftsführer der Martin-Luther-Gesellschaft, zu den historischen Schauplätzen, die auch Heinrich von Zütphen natürlich ebenfalls aus seiner Wittenberger Zeit gut gekannt hat.
Martin Treu über Luthers Wirkunsstätten in Wittenberg, [3:33]
Lutherstadt Wittenberg
Luther Gesellschaft
Lutherhaus Wittenberg
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Geschichten, die man vor der Haustür findet oder auf anderen Kontinenten - der Stoff des Features ist grenzenlos, und alle Aspekte des Lebens können hier Eingang finden. Aufwendig produziert, kulinarisch gemacht.
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