Ann-Kathrin Hesse ist von Geburt an blind. Wie meistert sie ihren Alltag zwischen Arbeit und Freizeitaktivitäten? Vom 8. bis 15. Oktober findet die "Woche des Sehens" statt. Organisationen wie die Christoffel-Blindenmission wollen damit auf Blinde und sehbehinderte Menschen aufmerksam machen. Bremen-Zwei-Reporterin Laura-Nadin Naue stellt Ann-Kathrin Hesse vor.
Ann-Kathrin Hesse ist seit ihrer Geburt blind: "Ich sehe hell und dunkel, sehe Umrisse, wenn die Lichtverhältnisse gut sind. Und kann auch Farben erkennen, wenn sie kontrastreich genug sind", antwortete sie auf die Frage, wie sie ihre Umwelt wahrnimmt. Die 25-Jährige sieht auf dem linken Auge nichts, auf dem rechten nur stark eingeschränkt. Insgesamt hat sie unter zwei Prozent Sehkraft, und damit gilt sie offiziell als blind. Nach einer Schätzung der WHO leben in Deutschland 1,2 Millionen Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung – wie viele es genau sind, wird in keiner Statistik erfasst.
Ann-Kathrin Hesse lässt sich ihr Defizit nicht anmerken. Sie nimmt zum Beispeil am Megamarsch Bremen teil — 50 Kilometer Fußmarsch. Start ist der Werdersee. Eingehakt bei einer Freundin geht sie zielstrebig den Weg entlang, ohne Stock. Für Außenstehende wirken sie und ihre Begleiterin einfach wie zwei Frauen, die Spaß am Wandern haben.
Es gibt Menschen, die grundsätzlich gar nicht glauben, dass es möglich ist, als behinderter Mensch das und das zu leisten. Und das ist, glaube ich, gar nicht böse gemeint, aber es ist natürlich so, dass es die große Überraschung ist, wenn rauskommt: Oh, du hast deinen Master, krass, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Wo man sich fragt: Warum denn eigentlich nicht? Warum hast du das denn nicht gedacht?
Ann-Kathrin Hesse
In ihrem Alltag erlebt Hesse ganz unterschiedliche Reaktionen auf ihre Behinderung. Ihr Freundeskreis und ihr Elternhaus würden ganz normal mit ihr umgehen. Während ihres Studiums in Bremen hätten sich Kommilitonen und Dozenten zum Teil gut auf sie eingestellt. Aber längst eben nicht alle. Ein Dozent sei der Ansicht gewesen, dass der Kurs wegen Ann-Kathrin so langsam sei — und das hat er vor allen gesagt. Mal erhielt Hesse das Arbeitsmaterial auf Papier und nicht digital, mal weigerten sich Dozenten, ihr die Schrift auf der Tafel vorzulesen. Und dass, obwohl Ende März 2019 die Behindertenrechtskonvention bereits seit zehn Jahren in Deutschland in Kraft ist und die Inklusion längst weiter vorangeschritten sein sollte.
Man braucht einen längeren Atem und man muss einfach mehr investieren. Aber Behinderung im Studium als generelles, ich glaube, dass es da noch ganz viel Potential nach oben gibt.
Ann-Kathrin Hesse
Das gelte nicht nur für das Studium, sondern auch für das Miteinander. Nicht jeder sehe, dass sie genauso viel leisten könne wie andere. Hesse arbeitet in Bremen als Verwaltungsinspektorin bei der Stadt. Für ihren Beruf hätte der Bachelorabschluss ausgereicht. Doch Hesse wollte gerne weiter lernen, weil sie gemerkt habe, dass nicht alle sie mit einem Bachelorabschluss ernstnehmen.
Für mich ist es wichtig, auch zu zeigen, dass es egal ist, was man für Defizite, was man für Einschränkungen, wie auch immer hat. Mein Lebensmotto (...) ist einfach: Es gibt für alles eine Lösung. Und wenn es keine Lösung gibt, dann gibt es eine Alternative.
Ann-Kathrin Hesse
Bisher konnte Hesse immer eine Lösung finden. Mit der Hilfe von Freunden ist sie bereits einen Halbmarathon gelaufen und auf dem Jakobsweg mit einem Tandemfahrrad geradelt. Beim Megamarsch überholt sie mit ihrer Begleiterin immer wieder langsamere Teilnehmer und schafft so die 50 Kilometer innerhalb von elf einhalb Stunden.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 11. Oktober 2018, 07:10 Uhr
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