Beim Wort "Handyspiel" werden viele an bunte Spielchen für langweilige Minuten in der Bahn denken. Wer spannende Geschichten will, sucht in der Regel nicht im App-Store. Dass sich aber gerade hier in den letzten Jahren so einige Kunstwerke angesammelt haben, weiß der Kollege und Games-Experte Florian Bänsch. Der Spiele-Tipp: die Liebes- und Lebensgeschichte "Florence".
Beziehungsspiele auf dem Smartphone lorence".
Ein Spiele-Tipp von Florian Bänsch:
Florence, [3:02]
Beziehungen sind schwierig. Beziehungen beginnen, bleiben, und enden. So ist es eben manchmal. Einer von zwei Liebenden gibt auf, oder beide gleichzeitig. Was Monate vorher noch federleicht von der Hand ging, wird irgendwann zu einer unschaffbaren Aufgabe. Aus dieser Aufgabe haben die australischen Entwickler "Mountains" ein Videospiel gemacht.
Es geht um die spielerische Gestaltung von Dialogen ohne Worte. Florence Yeoh lernt einen jungen Mann kennen, und erst ist es so einfach. In der App zieht man wortlose Sprechblasen in die richtige Form. Ein Kinderspiel. Doch im Verlauf der Beziehung, die da erzählt wird, werden die Sprechblasen immer kantiger, schneller, komplizierter. Man wartet nicht mehr auf die Reaktion des anderen. Und die Kommunikation bricht zusammen. So ist es eben manchmal.
Die Entwickler "Mountains" experimentieren hier mit dem Zeigefinger. Wie kann man das Universum einer ganzen Liebesbeziehung herunterbrechen auf einfache Gesten? Wie macht man Gefühle zu Farbe und Textur, zu Bildern, und wie diese Bilder zu Handlungen, die dem Leser Gefühle vermitteln? Mit nichts weiter als einem Zeigefinger auf einem Touchscreen? "Florence" präsentiert alle fünf Minuten eine neue Idee. Kein animierter Comic, sondern eine Novelle, in der Worte durch Gesten ersetzt werden, von der Hand des Lesers – des Smartphone-Nutzers – direkt in die erzählte Welt hinein. So vergeht in "Florence" nur dann die Zeit, wenn man selber an den Zeigern der Uhren dreht. Und manchmal will man das gar nicht. Aber so muss es eben sein. Und so ist der erste Kuss die leichteste Aufgabe in diesem Spiel. Da braucht es nur den kleinsten Schubser. Das Verstauen alter, schmerzhafter Erinnerungen in einem Umzugskarton indes ist die schwierigste Aufgabe. Da quält einen das Spiel regelrecht durch. Auch das muss so sein.
Die meisten Kennzeichen moderner Videospiele werden hier demonstrativ außer Kraft gesetzt: "Florence" ist schnell vorbei, kostet nicht viel, und ist keine Herausforderung. Eine Geschichte aus Aquarell-Bildern ausdrucksstarker Figuren und Situationen, die man intuitiv mit kleinen Berührungen vorantreibt. Es verlangt kein Wissen darüber, wie man digitale Spiele spielt.
Es ist süß und traurig und bunt, und manchmal fies. Nicht immer fair, aber spannend. Und aufregend, weil es den Blick verstellt, weil es anders macht was alltäglich war. Wie Beziehungen eben sind.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 6. Mai 2019, 14:38 Uhr
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