28. Oktober 2019, 10:30 Uhr
Eine begehrte Wohnlage, gut versteckt und vielen nicht bekannt: Das ist Klein Mexiko im Bremer Stadtteil Hastedt.
Geier, Kakteen und bleiche Gerippe: Das gibt es auch in Klein Mexiko.
Reportage:
Bremer Viertel "Klein Mexiko", [3:31]
Wo jetzt Paare, Alleinstehende und ältere Menschen leben, haben früher Handwerker und Arbeiterfamilien gewohnt – große Familien mit vielen Kindern. Vor gut zehn Jahren hat Sebastian Mecklenburg sein Haus in "Klein Mexiko" gekauft.
So kleine Häuschen und kleine Vorgärten mit blühenden Blumen – ich fand das total irre!
Sebastian Mecklenburg
Hinter einem kleinen Vorgarten mit wild in die Höhe sprießenden Blumen kommt man ins Haus hinein und steht direkt in der Küche. Hier muss man gut aufpassen, dass man sich nicht den Kopf stößt. An Ketten und Nägeln hängen Töpfe, Backformen und Pfannen von der Decke, für viele Schränke ist kein Platz – man muss erfinderisch sein, wenn man in "Klein Mexiko" wohnt, und ein bisschen handwerkliche Begabung schadet auch nicht. Sebastian hat die Wände herausgerissen und eine Wohnküche gebaut.
Gegenüber bei seinem Nachbarn Gernot Riedl sieht es ähnlich aus: Hier findet man eine kleine Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und Musikzimmer in einem. Gernots Tuben sehen im kleinen Wohnzimmer gigantisch aus. Sein kleines Haus ist genau richtig, sagt er, das habe er gut im Griff. Am Viertel liebt er die Gemeinschaft:
In unserem Weg haben wir zwei sehr alte Mitbewohner, wo wir schon ein Auge drauf haben. Die eine blickt manchmal nicht mehr so recht, wo ihr Eingang im Haus ist und da hilft man ihr. Das sind so Dinge, die in diesem Viertel noch möglich sind und was auch geschätzt wird von allen.
Gernot Riedl
Eine Teepause in Gernots Haus ist unfassbar gemütlich. Irgendwie hat man das Gefühl, Frida Kahlo sei immer dabei. Draußen schaut sie von der knallorange gestrichenen Fassade.
Auch Frida Kahlo findet man in "Klein Mexiko".
Auch im Haus finden sich immer wieder kleine Bilder der mexikanischen Künstlern – passt gut zu "Klein Mexiko", findet Gernot. Obwohl der Name eigentlich nichts mit mexikanischen Bewohnern zu tun hat. Er ist eher symbolisch, erklärt Sebastian.
Damals gab es in Mexiko eine Revolution, die zapatistische Revolution. Und weil das hier auch so ein wildes, revolutionäres, etwas verrufenes Pflaster war, hat sich "Klein Mexiko" eingebürgert. Das war eine Beleidigung.
Sebastian Mecklenburg
Die umliegenden Stadtbezirke machten sich lustig über das "linke Viertel". So passt die Kommunistin Kahlo doch wieder hierher. Gernot erzählt von Nachbar Heiner, der in den 1930ern in "Klein Mexiko" geboren wurde und weiß, dass es schon immer eine sehr linke Gegend war.
Heiner erzählt uns immer so Döntjes von früher. Dass zum Beispiel bis 1935 hier kein Nazis in Uniform rumrennen konnte, da gab’s was auf die Omme. Oder zum Beispiel, wenn Führers Geburtstag war, waren hier keine Nazi-Fahnen draußen. Nur eine kleine Papier-Fahne in dem einen Haus, alle anderen haben da nicht geflaggt!
Gernot Riedl
Von dieser Rebellion merkt man heute in der ruhigen Wohnsiedlung nicht mehr viel. Die Häuser sind von Sozialbauten zu heiß begehrten Objekten geworden – bis zu 300.000 Euro bezahlt man hier für gerade mal 60 Quadratmeter.
Alle wollen hierherziehen. Wenn hier irgendein Haus zu verkaufen ist, dann brauchst du dich gar nicht lange drum kümmern, das ist weg.
Gernot Riedl
Gerade deswegen ist Sebastian auch so froh, sein Haus zu haben. Es sind nur drei Zimmer, im Keller muss er den Kopf einziehen und in der Küche die Töpfe aufhängen – aber es macht ihn trotzdem stolz:
Was ich ganz toll fand, als ich hier eingezogen bin: Dass man in seiner eigenen Wohnung eine Treppe hat, wo man in ein anderes Stockwerk gehen kann. Das hatte ich früher nie, als ich in irgendwelchen Zweizimmerwohnungen gewohnt hab.
Sebastian Mecklenburg
Wer einmal eines dieser kleinen Häuser betritt, der kann die Liebe dazu verstehen. Es stimmt einfach: Es sind die kleinen Dinge im Leben.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 28. Oktober 2019, 10:40 Uhr.
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