20. Juni 2016, 14:40 Uhr
Die Villa Schlotterhose ist ein Prunkbau aus der Gründerzeit; in Bremerhaven kennt sie jeder. Baujahr 1895, drei Stockwerke mit vielen Zimmern und Kammern und drumherum ein verwilderter Park. Hier wohnt schon lange niemand mehr. Eigentlich nichts Außergewöhnliches – wären da nicht die Gespenster, die angeblich jede Nacht in der Villa Schlotterhose herumspuken.
Die Villa Schlotterhose – heute ein Geisterhaus?
Hier hat sich jemand aufgehängt. Und der Geist spukt immer noch herum, heißt es im Bremerhavener Stadtteil Wulsdorf. Deshalb haben die Wulsdorfer auch Angst, das Gelände zu betreten.
Nachts, wenn die Wulsdorfer schlafen und nur ein paar Nachtschwärmer sich am großen Eisentor vorbeitrauen, da soll man sie sehen: Seltsam grünliche Lichter, die im ganzen Haus kurz aufleuchten. Auch von nächtlichem Klopfen und Wimmergeräuschen berichten die Nachbarn. Am Tage liegt das vermeintliche Spukhaus jedoch ganz ruhig. Nur die Tauben gurren vom Dach und schauen auf die Besucher, die manchmal auftauchen, um sich das Haus anzugucken. Die Villa Schlotterhose steht nämlich zum Verkauf. Seit Jahren schon. Bauunternehmer oder Sparkassen-Chefs ließen sich die Villa zeigen. Doch sie kamen und gingen schnell wieder. Denn "da will keiner drin wohnen. Da weiß man nie, wer noch mit drin lebt."
Einer, der trotzdem immer wieder gerne zurückkommt, ist Jürgen Rossow. Er war der letzte Bewohner hier. Nach einem Jahr zogen er und seine Frau aus. Nicht ganz geheuer war es der Dame des Hauses damals in dem riesigen Gebäude. Zumindest für die Irrlichter hat Rossow eine Erklärung.
Es gibt Wulsdorfer, die sind an der Straße vorne stehengeblieben und sagten: Da gibt’s Gespenster. Da gehen nachts komische Lichter an. Da sagte ich: "Ja, das ist mein Licht, das abends an- und ausgeht." Aber da gibt es welche, die haben Angst. Und wenn Frauen mal oben alleine waren: Man hört ja manchmal Geräusche von Tieren und von Ratten und Mäusen, die es ja auch gibt bei der Größe, logisch. Also die haben Angst. Haben sie auch alle zugegeben.
Wer die Villa betritt, versteht warum. Auch wenn hier seit Jahren kein irdisches Wesen mehr lebt, alles scheint unverändert. Düstere Landschaftsgemälde, dunkle Mahagoni-Möbel und die blutrote Papiertapete verstärken das ungute Gefühl, dass man sich mitten in einem Spukhaus befindet. Es riecht nach Feuchtigkeit. In jedem Zimmer hängen ganz oben an der Decke Lautsprecher. Man wartet förmlich auf die Stimme, die durchs ganze Haus tönt: "Ihr könnt mir nicht entkommen". Nur die Spinnweben fehlen, dafür hat die Maklerfirma gesorgt, die das Haus noch immer verkaufen will.
Auch Gespenster brauchen Licht.
Bei Rossow werden Erinnerungen wach, als er durch den großen Salon geht. Schon das Knacken des alten Parketts gefällt ihm, das sei so gemütlich. Und die Zimmerdecke erst: "Wahnsinn, was die früher draufhatten."
Die Decken sind mit Stuck und pummeligen Putten dekoriert. In jedem Raum steht ein riesiger Kachelofen. Einer wurde erst vor kurzem benutzt. Doch von wem? Manche Wulsdorfer munkeln, es sei der Geist des alten Conrad Schlotterhose. Der hatte die Villa 1920 gekauft. Und andere sind sich sicher: Der Geist ist weiblich. Vielleicht eine Arbeiterin der Fabrik, die früher auf dem Anwesen stand. Fischleberöl haben sie hergestellt. Oder ist es doch eine Besucherin des Puppencafés, das hier in den 90ern im obersten Stock beheimatet war?
Wer oder was auch immer es ist: Wer in der Villa Schlotterhose Zeichen sucht, findet sie bestimmt: Fußabdrücke im gefliesten Keller, Kälteströme, die plötzlich durch den Raum fließen und Klopfgeräusche in den Rohren. Ob nun Geisterphänomen oder natürliche Ursache – sehen kann es nur Friedrich Busse, der Erbauer der Villa. Noch heute steht er als Beton-Skulptur im Park vor dem Haus. Stark verwittert blickt er direkt auf sein Vermächtnis, die wohl schauerlich-schönste Villa Bremerhavens.
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