Neue Erkenntnisse zur NS-Vergangenheit von Hans Abich

Der ehemalige Radio-Bremen-Intendant und frühere ARD-Programmdirektor Hans Abich hat falsche Angaben zu seiner Biografie während der Zeit des Nationalsozialismus gemacht. Das zeigt eine Untersuchung, die die Intendantinnen und Intendanten bei der Historischen Kommission der ARD (HiKo) in Auftrag gegeben haben.

Hans Abich, Intendant von Radio Bremen 1968 bis 1973
Hans Abich, Radio-Bremen-Intendant von 1968 bis 1973. Bild: Radio Bremen | Do Leibgirries

Gutachten bestätigt Erkenntnisse zur NS-Vergangenheit Abichs

In ihrem Gutachten bestätigen Prof. Dr. Thomas Birkner von der Paris Lodron Universität Salzburg und sein Team die 2021 aufgedeckten Erkenntnisse zur NS-Vergangenheit Hans Abichs: "Hans Abich arbeitete entgegen seiner eigenen Erzählung für das Propagandaministerium und für Zeitschriften der Studentenschaft, die die damalige Ideologie transportierten."

Nach Einschätzung des Gutachtens war er als Mittzwanziger in den Funktionsketten des Regimes noch nicht weit aufgerückt, aber dennoch Teil einer Säule des NS-Regimes, die die faschistische Ideologie förderte. Damit habe er zur Verbreitung und Legitimation von Rassismus und Antisemitismus, von Führerkult und Kriegsbegeisterung beigetragen.

Über sein Wirken während der NS-Zeit sprach Abich zu Lebzeiten wenig. In Interviews sagte er, er sei nie Mitglied der NSDAP gewesen und habe sich nach den Pogromen 1938 innerlich vom Regime abgewandt. Ein Artikel in "Die Zeit" hatte Ende 2021 Zweifel an dieser Erzählung Abichs aufkommen lassen. Auf Initiative der ARD Programmdirektion und Radio Bremens fassten die Intendantinnen und Intendanten der ARD daraufhin den Entschluss, Abichs Biografie durch die HiKo überprüfen zu lassen.

Verdienste um Demokratie, aber mangelnde Reflexion der Vergangenheit

Der von der HiKo beauftragte Gutachter Prof. Dr. Thomas Birkner: "Besonders problematisch ist, wie Abich mit seiner Vergangenheit umgegangen ist. Er verschwieg seine Rolle als NS-Publizist größtenteils, teilweise log er im Hinblick auf seine NSDAP-Mitgliedschaft. Eine selbstkritische Reflexion fand nicht statt."

Nach 1945 distanzierte sich Abich vom NS-Regime. Laut des Gutachtens war er auch danach in keine rechten Netzwerke der jungen Bundesrepublik verstrickt. Er habe sich in seinen späteren Funktionen in der ARD um die Demokratie und um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verdient gemacht, so die HiKo.

Aufarbeitung der NS-Vergangenheit gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Christoph Singelnstein, Vorsitzender der HiKo: "Die Verstrickung Hans Abichs in das NS-Propagandasystem und seine spätere Verdrängung werfen jedoch Schatten auf seine Verdienste um das demokratische Mediensystem nach 1945. Als Galionsfigur oder Vorbild taugt Hans Abich nicht mehr."

Dr. Yvette Gerner, Intendantin von Radio Bremen: "Die Schrecken der NS-Vergangenheit nicht zu vergessen und sie konsequent aufzuarbeiten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ihr stellt sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Für Radio Bremen bedeutet das, klar zu sagen: Unser ehemaliger Intendant Hans Abich ist als Teil der Propagandamaschine des NS-Regimes belastet."