Meinungsmelder zu Anfeindungen gegenüber Politikerinnen und Politikern

Anfeindungen gegenüber Politikerinnen und Politikern, Beschimpfungen und Bedrohungen im Netz und persönlich – Radio Bremen wollte wissen, wie es in Bremen und Bremerhaven aussieht und welche Erfahrungen Menschen machen, die hier politisch tätig sind. In einem Meinungsmelder Spezial fragte Radio Bremen knapp 500 Politikerinnen und Politiker an, die in Landes- und Kommunalpolitik in Bremen und Bremerhaven aktiv sind. 230 Politikerinnen und Politiker aus Bremen und Bremerhaven nahmen an der Radio Bremen Meinungsmelder Spezial-Befragung teil.

Die Hälfte aller befragten Politikerinnen und Politiker wurde in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal beschimpft, beleidigt und/oder bedroht. Neun Prozent gaben an, mehr als zehn Mal betroffen gewesen zu sein. Einzelne nannten sogar 100 oder mehr Fälle. Betroffen sind Politikerinnen und Politiker aller Parteien.

„Als jemand in einem Brief schrieb, er würde mich ‚persönlich zur Rechenschaft ziehen‘ – das ist deutlich eine Drohung“, so Antje Grotheer: „Da habe ich gemerkt, dass auch meine Familie gefährdet sein könnte.“ Die SPD-Politikerin hat im vergangenen Jahr in ihrer Zeit als Bürgerschaftspräsidentin besonders viele Anfeindungen und Drohungen erhalten.

Mehr als ein Viertel der Teilnehmenden gab an, dass sie aufgrund von Bedrohungen und Beschimpfungen schon ihre Außendarstellung geändert (11 Prozent) oder zumindest überdacht (15 Prozent) haben. Auch ihr Verhalten wird demnach beeinflusst: 16 Prozent haben ihr Handeln bereits hinterfragt, 4 Prozent haben es sogar geändert.

Die Politikerinnen und Politiker verhalten sich unterschiedlich: Einige gaben an, zurückhaltender zu sein, überlegter und reflektierter vorzugehen, sowohl im persönlichen Kontakt als auch im Internet. Andere entscheiden sich, nach dem Erlebten offensiv zu handeln.

Wiebke Winter, Bremer Landesvorsitzende der Jungen Union, ist eine von ihnen: „Ich habe gedacht: Jetzt erst Recht. Ich bin damit an die Öffentlichkeit gegangen, das ist ein Schritt, mit dem ich mich nicht leicht getan habe, aber ich glaube, dass es wichtig ist, dass man an die Öffentlichkeit geht. Dass man nicht Opfer von der ganzen Geschichte wird, sondern darüber steht und trotzdem weiter Politik macht.“

Die Betroffenen überdenken aber nicht nur die Art, sondern auch den Umfang ihres politischen Engagements. Einzelne überlegen, sich teilweise oder sogar ganz aus der Politik zurückzuziehen.

In dieser Erhebung zeigt sich, dass die weiblichen Befragten häufiger über ihre Außendarstellung nachgedacht und ihr Verhalten geändert haben als die männlichen  Teilnehmer der Befragung – 37 Prozent im Vergleich zu 21 Prozent. Nicht ganz so stark ausgeprägt, aber ähnlich sieht es beim Einfluss auf das politische Handeln aus: 28 Prozent der Frauen haben es schon hinterfragt oder verändert, die Männer zu 17 Prozent.

Mit den Meinungsmeldern greift Radio Bremen in Hörfunk, Fernsehen und Online Perspektiven der Menschen vor Ort auf, ordnet sie zusammen mit den Fakten journalistisch ein und recherchiert weiter.

230 Politikerinnen und Politiker aus fast allen in den Stadtteilparlamenten in Bremen, der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven und der Bremischen Bürgerschaft vertretenen Parteien nahmen an dem Radio Bremen Meinungsmelder Spezial teil. Vom 27. Januar bis 9. Februar 2020 hatten sie die Möglichkeit, sich zu äußern.

Von den 230 Antwortenden sind 33 Prozent weiblich, 64 Prozent männlich, 2 Prozent haben keine Angaben gemacht bzw. die Angabe „divers“ gewählt, bei einem Prozent fehlt die Angabe. Im Durchschnitt sind die befragten Politikerinnen und Politiker 52 Jahre alt.